?6th International Conference on Smart Data and Smart Cities” (SDSC) vom 15. bis 17.09.2021 an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart)
Der Refrain: "It's coming home" ist eine Hommage an den Fu?ball, der nach Hause kommt. Erstmals von der Band Lightning Seeds in ihrem Song "Three Lions" im Rahmen der Fu?ball-Europameisterschaft 1996 in England vorgetragen, ist der Kehrreim heute noch aktuell. Und das nicht nur in Fu?ballstadien, sondern gleichfalls auf Konferenzen. Ein Beispiel bot die "6th International Conference on Smart Data and Smart Cities" (SDSC) vom 15. bis 17.09.2021 an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart). Einer hybriden Veranstaltung, durchgeführt von der HFT Stuttgart in Kooperation mit der Urban Data Management Society (UDMS), im Rahmen der Wissenschaftswoche "Intelligente Stadt". So machte die Konferenz nach 50 Jahren wieder in Deutschland Station. Oder anders formuliert: Die Datenkonferenz "is coming home" mit smarten L?sungen für smarte St?dte.
Als 1971 das erste Urban Data Management Symposium (UDMS) in Bonn stattfand, ahnte wohl niemand etwas von der Dynamik, mit der sich das Datenmanagement in den darauffolgenden 50 Jahren ver?ndern würde. Heute, ein halbes Jahrhundert sp?ter, und nach der Reorganisation der UDMS-Veranstaltung zur SDSC im Jahr 2016 im kroatischen Split, hat sich das Datenmanagement fundamental weiterentwickelt. Grund genug für einen Blick auf den Istzustand sowie Entwicklungen und L?sungen rund um die smarte Datenwelt für die St?dte von heute und morgen.
Prozesse und Verfahren – auf Grundlage der 3D-Technologie
"Smart Solutions for Smart Cities brauchen Sensoren und Geospatial Data." So folgerte es Prof. Dr. Volker Coors, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung (IAF), Informatik und Geoinformatik, HFT Stuttgart, in seiner Er?ffnungsrede zur 2,5-t?gigen SDSC. Ein gutes Beispiel sei seiner Meinung nach der Urban Digital (GEO-)Twin in Helsinki, Finnland. Vor Ort entstand ein genaues Modell der bestehenden Stadtstruktur, unter Einbeziehung zukünftiger Pl?ne.
Das Vorgehen erlaubt die Entwicklung von Prozessen und Verfahren auf Grundlage der 3D-Technologie. Damit bieten digitale Zwillinge die M?glichkeit, beispielsweise den kompletten Planungs- und Bauprozess digital aufzusetzen – noch vor dem ersten Spatenstich.
Digitaler Zwilling: Die n?chste Stufe eines Smart City Managements
Welche Rolle Digital Twins für St?dte spielen k?nnen, unterstrich Andrea Halmos, European Commission, DG CONNECT, in ihrer digitalen Keynote. Ihrer Meinung nach sei ein digitaler Zwilling die n?chste Stufe eines Smart City Managements. Dabei ist ein modernes und zugleich digitales Smart-City-Datenmanagement unerl?sslich auf dem Weg der Europ?ischen Union (EU) zum angestrebten "Green Deal" und damit der Klimaneutralit?t bis 2050. Gleichzeitig stünden nach den Ausführungen von Halmos viele digitale L?sungen fragmentiert und wenig skalierbar zur Verfügung. Die Folge bringt Policy Officer Halmos auf den folgenden Punkt: "Nur 12 Prozent der st?dtischen Daten werden für politische Entscheidungen genutzt." Um dies zu ?ndern und die Menschen bei Smart-City-Prozessen st?rker in den Mittelpunkt zu stellen, braucht es Prinzipien. Diese fasst sie unter anderem mit einer bürgernahen Gestaltung kommender digitaler Prozesse zusammen. Weitere Bausteine hierbei bilden technologische L?sungen sowie interoperable urbane Plattformen als wesentliche Schlüssel zum Erfolg der St?dte, aber auch weiche Faktoren. In diesem Zuge stellt Halmos St?dte als offene und zugleich lebendige R?ume in den Mittelpunkt der Betrachtung. Um den digitalen Weg einheitlich und mit einer klaren Strategie zu begleiten, braucht es diverse Verpflichtungen innerhalb der EU – von finanziellen und technischen Aspekten über die Bildung bis zum Monitoring und der Messung der eingeleiteten Ma?nahmen. Im weiteren Verlauf beschrieb Halmos das Potenzial eines Artificial-Intelligence(AI)-Einsatzes in St?dten.
Dieses Potenzial ergibt sich unter anderem durch gemeinsame Workspaces (Stichwort: Kollaboration), der Umweltüberwachung sowie einem automatisierten Stau-, Müll- und Energiemanagement.
In der praktischen AI-Anwendung zeigen sich die St?rken beispielsweise in der spanischen Stadt Fuengirola. Vor Ort planen die Stadtverantwortlichen AI-Anwendungen einzusetzen, um die Kapazit?ten der St?nde und weiterer ?ffentlicher Pl?tze in Echtzeit zu überwachen. Neben solch kurzfristiger Effekte k?nne sich nach Halmos Worten durch AI ein langfristiger Mehrwert ergeben. Der zeige sich unter anderem in der Stadtplanung und -entwicklung, aber auch im Infrastrukturmanagement sowie im Klima-Monitoring.
Ein Interdisziplin?rer Rahmen gegen den Klimawandel
Aussagen, die sich mit der von Prof. Ursula Eicker, Canada Excellence Research Chair (CERC) in Smart, Sustainable and Resilient Cities and Communities, von der Concordia University Montreal, decken. Auf die Frage: Was eine smarte, nachhaltige und zugleich resiliente Stadt ausmacht, sieht Eicker die Klimaneutralit?t als einen wichtigen Punkt. Hinzu k?men ihrer Meinung nach Faktoren wie die Artenvielfalt und Abfallreduzierung sowie eine kompakte und zugleich gut begehbare Stadt. Die wichtigsten Herausforderungen für heutige St?dte fasst Eicker mit dem Klimawandel und den Folgen zusammen. Diese hei?en unter anderem zunehmende Extremwetterereignisse wie ?berschwemmungen und Hitze, aber auch der Zugang zu Nahrung und Wasser und letztendlich Migrationsstr?me. Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen St?dte beispielsweise Geb?ude vermehrt klimaeffizient nachrüsten und einen radikalen Wandel im Verkehrswesen anstreben.
In Kanada steht der Green Municipal Fund (GMF) für solche Ma?nahmen. Der GMF hilft St?dten und Kommunen dabei, Ma?nahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern und den Kanadiern ein besseres Leben zu erm?glichen.
Die konkrete GMF-Arbeit erstreckt sich dabei von der Verbesserung der Wasserqualit?t über den Ausbau von Recycling-Systemen bis zur Schaffung energieeffizienter Verkehrsmittel. Letzteres unter anderem mithilfe eines neuen Systems zur gemeinsamen Nutzung von Elektrofahrzeugen realisiert.
Dabei zeigt sich bei allen Ma?nahmen, um die Klimaneutralit?t in den St?dten zu verwirklichen, dass smarte Daten eine entscheidende Rolle spielen, um Istzust?nde zu messen, Analysen zu forcieren und vor allem neue L?sungen in den St?dten zu implementieren. Voraussetzung dafür ist aber ein interdisziplin?res Denken. Eicker nennt es "einen interdisziplin?ren Rahmen für den Aufbau von St?dten der n?chsten Generation". So arbeitet sie unter andere mit Energieplanern, Designern, Philosophen, Biologen und Bauingenieuren zusammen, um integrierte Strategien für emissionsfreie St?dte von morgen zu entwickeln.
Smartes Datenmanagement für intelligente St?dte bewegt Forschende – weltweit
Dass das Datenmanagement Forschende auf der ganzen Welt bewegt, zeigte sich im Rahmen der SDSC-Veranstaltung. ?ber 80 Teilnehmende waren vor Ort oder zugeschaltet – von Stuttgart bis London, von Quebec bis Sidney. Bei allen Unterschiedlichkeiten in den einzelnen St?dten und L?ndern mit ihren spezifischen Herausforderungen in puncto nachhaltiger Stadtentwicklungen zeigte sich doch eine klare Gemeinsamkeit der Forschenden. Es braucht ein Grundverst?ndnis im Umgang mit Daten, um diese sinnstiftend aus diversen Quellen zusammenzuführen und für Stadtprojekte einsetzen zu k?nnen. Denn Stadtverantwortliche, Planer und letztendlich die Bürger wollen informiert sein, um beispielsweise 3D-Stadtmodelle und Beteiligungsplattformen zu nutzen.
Vor diesem Hintergrund bewegte sich unter anderem das Themenfeld "Smart Data – Sensor". Der Vortrag der Sensorregistrierung im Smart-City-Umfeld zeigte exemplarisch auf, dass die wachsende Zahl an Sensoren, Kameras und Messger?ten zum einen datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen, auf die St?dte mit Transparenz reagieren müssen. Zum anderen braucht es für die Besitzer der Messger?te und Sensoren Klarheit über das Meldeverfahren ihrer Anlagen. Für die Forschenden liegt ein m?glicher Schlüssel in einem nationalen Sensorregister (SensRNet).
Ein solches Register würde den Kommunen und Bürgern Transparenz über die von den Ger?ten erfassten Daten und den Zweck der Erfassung verschaffen. Zudem bestehe mit dem "SensRNet" die M?glichkeit, einen ?berblick darüber zu erhalten, wo Sensoren im ?ffentlichen Raum platziert sind und wer der jeweilige Eigentümer ist.
Schlussendlich erleichtert dieses Vorgehen den Zugang zu stark nachgefragten Daten, um diese für intelligente Stadtvorhaben zu nutzen, wie etwa Beteiligungsplattformen oder neue Mobilit?tsanwendungen zeigen.
Apropos Mobilit?t. Den Wert datenbasierter Anwendungsszenarien für E-Scooter vermittelte ein Vortrag aus dem Bereich Data Mining (Smart Data – Machine Learning). Das hei?t, Muster in gro?en Datenmengen zu erkennen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind neue Mobilit?tsanwendungen und -konzepte in den St?dten unerl?sslich. Um Nutzungsmuster und Verhaltensweisen von E-Scooter-Sharing-Kunden zu analysieren, untersuchten Wissenschaftler den Datensatz eines E-Scooter-Sharing-Anbieters aus den Jahren 2017 bis 2019 in einer deutschen Gro?stadt. Für die Kundensegmentierung nutzten sie den branchenübergreifenden Standardprozess für Data-Mining-Modelle (CRISP-DM-Modell).
Im Ergebnis zeigte sich, dass drei Kundensegmente identifiziert wurden – basierend auf den Variablen Alter, Zeit zwischen den Fahrten, gefahrene Strecke und Umsatz. So stellte sich unter anderem heraus, dass die Kunden in Cluster für 78 Prozent des Umsatzes verantwortlich waren, bei einem Durchschnittsalter von 29 Jahren. Merklich unterstützen in solchen Prozessen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Denn in Smart Cities müssen immer mehr Daten gespeichert, verarbeitet und analysiert werden. Hierzu z?hlen unter anderem Echtzeitdaten von Verkehrsbetrieben und Energieversorgern oder Sensordaten aus Smartphones und Luftüberwachungssystemen. Mit Blick auf Letzteres befasste sich ein Vortrag mit der KI-basierten Vorhersage von Luftschadstoffen für Smart Cities.
Doch damit nicht genug. Weitere Sessions – von 3D-Datenmodellen über Navigationsl?sungen bis zur Visualisierung – rundeten die SDSC-Konferenz ab. Bei der Fülle an Themen kristallisierte sich eines deutlich heraus: Wissenschaft und Forschung k?nnen wertvolle Dienste für die St?dte von heute und morgen samt ihrer Herausforderungen leisten. Oder anders formuliert: Alles auf Grün in den intelligenten St?dten dank smarter Daten. Und dabei spielt die HFT Stuttgart eine entscheidende Rolle als Wissensvermittler von der Theorie in die gelebte Praxis der St?dte.
Der Beitrag "Alles auf Grün in den intelligenten St?dten dank smarter Daten" (PDF) ist in der Ausgabe 05/2021 der gis.Business (www.gispoint.de) erschienen.